Remix-Kultur im Unterricht

I jump ‘em from other writers but I arrange ‘em my own way.Bob Dylan, US-amerikanischer Folkmusiker und Lyriker

Remixen – also Bewährtes „neu zu mischen“ und so eine Variante zu kreieren, die genau zur Situation passt – ist eine altehrwürdige Kulturtechnik. Sie passt aber auch hervorragend ins digitale Zeitalter. Auf welche Tradition Remix zurückblickt, was wir von den Ideen der Anderen lernen können und warum dem Remix von Unterlagen in der Schule eine riesige Bedeutung zukommt, all das und noch viel mehr sind Themen in unserer kleinen Reihe Remix-Kultur im Unterricht.

Der Mythos vom genialen Einfall

Wie entstehen geniale Ideen, große Erfindungen, aber auch kleine Alltagshelfer? Ganz plötzlich, aus Nichts, wie vom Blitz getroffen — ganz sicher nicht! Die Vorstellung vom einsamen Genie im stillen Kämmerchen mag sehr romantisch, aber wenig realistisch sein. In Wirklichkeit liegt allen kulturellen als auch wissenschaftlichen Entdeckungen detailliertes Wissen über das aktuelle Geschehen zugrunde. Sowohl Mozart als auch Goethe (beide ganz oben auf dem Olymp) reisten durch Europa, um sich mit alten und neuen Meistern auszutauschen und so zu lernen. Beim Lernen gehört das Kopieren unmittelbar dazu. Erst dann kann der geniale Einfall auftreten, der Geistesblitz, der im Remix Neues hervorbringt. Picasso sagte: „Gute Künstler kopieren, geniale Künstler klauen.“

Die Ideen der Anderen

Es waren und sind die Ideen der Anderen, die kopiert, verbessert, also „remixed“, wieder neue Ideen kreieren. Menschen, die mit offenen Augen durch das Leben gehen, Eindrücke sammeln, Inspiration suchen – das sind Leute, die für den „Zeitgeist“ besonderes empfindlich sind. Musiker, Maler, Dichter, Philosophen, sie alle arbeiten mit Einflüssen aus der Vergangenheit und der Gegenwart konstruktiv, denken weiter und bauen so an der Zukunft mit. Auch in der Wissenschaft ist der Austausch und Einfluss mit den Kollegen weltweit ein Muss. Der reisende Gelehrte, der sich in Akademien organisiert und vernetzte Korrespondenzen pflegt, ist kein neues Phänomen. Denn nur so kann Innovation entstehen:

I invented nothing new. I simply assembled the discoveries of other men behind whom were centuries of work … progress happens when all the factors that make for it are ready and then it is inevitable. Henry Ford

Unterrichtsmaterialien remixen

Von den einstigen „Scholaren“ zur Schule heute ist es nur ein kleiner Schritt. Lehrer sein ist ein sehr anspruchvoller Beruf, er erfordert keine einsamen Genies, sondern geerdete, bewanderte und offene Menschen. Denn das Aufeinandertreffen vieler Individuen in einer Schulklasse soll keinen Clash, sondern viele Initialzündungen bewirken. Lehrerinnen und Lehrer sind deshalb die wahren Remix-Profis. Ihre Aufgabe ist es, das Lernmaterial an ihre Schüler anzupassen (und nicht umgekehrt!).

Lernsituationen variieren in der Regel stark von Klasse zur Klasse und von Schüler zur Schüler. Diese Heterogenität ist fester Bestandteil in der heutigen pädagogischen Arbeit. In der Praxis werden Lehrer und Lehrerinnen jeden Tag vor die Frage gestellt: „Kommen alle Schüler in meiner Klasse mit?“, „Kann ich die unterschiedlichen Bedürfnisse und Interessen in meiner Klasse innerhalb einer Unterrichtsstunde abdecken?“, „Was mache ich mit denen, die unterfordert sind, während die Mehrheit noch eine Einführung in das Thema braucht?“ Die Antworten darauf können ganz unterschiedlich ausfallen, jedoch gehören Anpassung, Ergänzung, Überarbeitung und Erweiterung der klassischen Unterrichtsmaterialien an die Lernsituation der Klasse und den Einzelnen unmittelbar dazu.

Das heißt: im Unterricht wird die Remix-Kultur aktiv gelebt. Jeder Unterrichtende hat im Normalfall eine analoge oder digitale Schatztruhe mit Übungsblättern, Arbeitsmaterialien, Unterrichtsszenarien etc., die innerhalb eines Montage-Prozesses entstanden sind. Diese Unterrichtsmaterialien zeugen von Kreativität und von der Fähigkeit, in einer Situation zu improvisieren – zwei absolut wichtige Werkzeuge im Lehrerberuf.

Fazit

Remix gehört zur menschlichen Schöpfungskultur, Wissensvermittlung spielt dabei eine zentrale Rolle. Die Liebe zum Remixen teilen die Pädagogen mit Kreativen und Wissenschaftlern. Und sie teilen sie mit jedem, der Bewährtes zu gutem Neuen zusammenstellt.
In diesem Sinne: Ready for Remix!

Im nächsten Remix-Artikel geht es um analoges und digitales Remixen in der Unterrichtsvorbereitung.

Artikel Remix-Kultur im Unterricht

Teil I: Remix-Kultur im Unterricht
Teil II: Remix-Kultur analog trifft digital
Teil III: Remix-Kultur ist kribbeln im Kopf

Ein Kommentar

  1. Susanne Herdina
    Posted 14/11/2014 at 13:22 | Permalink

    Gefällt mir gut, was ihr da macht – freue mich auf den ersten Newsletter,

    viele Grüße

    Susanne

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